Pflege allgemein


13.03.2016

Das Zweite Pflegestärkungsgesetz, veröffentlicht vom Bundesministerium für Gesundheit am 04.01.2016

hier der Originaltext und Link:

http://www.bmg.bund.de/themen/pflege/pflegestaerkungsgesetze/pflegestaerkungsgesetz-ii.html

Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff und neues Begutachtungsverfahren

Das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSGII) ist am 1. Januar 2016 in Kraft getreten. Das neue Begutachtungsverfahren und die Umstellung von Pflegestufe auf Pflegegrad sollen zum 1. Januar 2017 wirksam werden.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: „20 Jahre nach ihrer Einführung stellen wir die Soziale Pflegeversicherung jetzt auf eine neue Grundlage. Damit erhalten erstmals alle Pflegebedürftigen einen gleichberechtigten Zugang zu Pflegeleistungen – unabhängig davon, ob sie an körperlichen Beschwerden oder an einer Demenz erkrankt sind. Mehr Hilfe für Pflegebedürftige, eine bessere Absicherung der vielen pflegenden Angehörigen und mehr Zeit für die Pflegekräfte ­– das erreichen wir mit diesem Gesetz. Das ist ein Meilenstein für die Pflegebedürftigen und alle, die in unserem Land tagtäglich ihr Bestes geben, um für Pflegebedürftige da zu sein.“

Das Gesetz setzt den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff um. Damit erhalten erstmals alle Pflegedürftigen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung, unabhängig davon, ob sie von körperlichen oder psychischen Einschränkungen betroffen sind. Das Jahr 2016 dient der Vorbereitung des neuen Begutachtungsverfahrens in der Praxis und der Umstellung auf die fünf Pflegegrade sowie die neuen Leistungsbeträge bis zum 01.01.2017. Folgende Regelungen treten 2016 in Kraft:

  • Beratung: Pflegende Angehörige erhalten einen eigenen Anspruch auf Pflegeberatung. Wer Leistungen bei der Pflegeversicherung beantragt, erhält zudem automatisch das Angebot für eine Pflegeberatung.
  • Anpassung der Rahmenverträge: Die Rahmenverträge über die pflegerische Versorgung in den Ländern sind von den beteiligten Partnern der Selbstverwaltung an den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff anzupassen. Dazu gehören auch die Vorgaben zur Personalausstattung.
  • Pflegesätze und Personalschlüssel: Vor Einführung der neuen Pflegegrade müssen Träger der Pflegeeinrichtungen, Sozialhilfeträger und Pflegekassen die Personalstruktur und die Personalschlüssel der Einrichtungen prüfen und bei Bedarf anpassen. Bis zum 30. September 2016 müssen sie neue Pflegesätze für die Pflegeheime vereinbaren. Bis Mitte 2020 soll ein wissenschaftlich gesichertes Verfahren zur Personalbedarfsbemessung entwickelt werden.

Pflegebevollmächtigter Staatssekretär Karl-Josef Laumann: „Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gehören Minutenpflege und Defizitorientierung bald der Vergangenheit an. Stattdessen wird es eine Begutachtung geben, die ganz individuell beim einzelnen Menschen schaut, wie selbständig er seinen Alltag noch gestalten kann. Das ist ein Quantensprung. Zudem bekommt der Pflege-TÜV in seiner jetzigen Form ein klares Verfallsdatum. Es wird spätestens ab 2018 ein neues Qualitätsprüfungs- und Transparenzsystem geben, das den Bürgerinnen und Bürgern endlich eine echte Orientierungshilfe bietet.“

Seit Ende 2014 unterstützt der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigte für Pflege, Staatsekretär Karl-Josef Laumann, die flächendeckende Einführung einer vereinfachten Pflegedokumentation (Strukturmodell) in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Das PSGII stellt klar, dass die zeitliche Entlastung der Pflegekräfte durch das neue Pflegedokumentationsmodell nicht zu Personalkürzungen führen darf.

Mehr Unterstützung für Pflegebedürftige

Bereits das erste Pflegestärkungsgesetz, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, sieht Leistungsverbesserungen vor, die auch schon umsetzen, was mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gewollt ist: eine bessere Berücksichtigung der individuellen Situation von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen und einen Abbau von Unterschieden im Umgang mit körperlichen und geistigen Einschränkungen.

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz folgen nun weitere Verbesserungen. Insgesamt stehen ab 2017 jährlich fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege zur Verfügung. Außerdem wird die gesetzlich vorgeschriebene Dynamisierung der Leistungen um ein Jahr auf 2017 vorgezogen. Damit stehen bereits 2017 weitere rund 1,2 Milliarden Euro für die Leistungen der Pflegeversicherung zur Verfügung. Der Beitragssatz der Sozialen Pflegeversicherung steigt zum 1. Januar 2017 um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 bzw. 2,8 Prozent für Kinderlose. Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung macht es möglich, die Beitragssätze bis in das Jahr 2022 stabil zu halten. Das sind zwei Jahre mehr als bislang angenommen.

Rund 2,7 Millionen Pflegebedürftige werden zum 1. Januar 2017 automatisch in einen der neuen Pflegegrade übergeleitet. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen werden automatisch von ihrer Pflegestufe in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. Menschen, bei denen eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz festgestellt wurde, werden in den übernächsten Pflegegrad überführt. Alle, die bereits Pflegeleistungen erhalten, erhalten diese daher mindestens in gleichem Umfang weiter, die allermeisten erhalten mehr Unterstützung.

Auch in stationären Pflegeeinrichtungen gibt es Verbesserungen für alle Pflegebedürftigen. Ab 2017 gilt in jeder vollstationären Pflegeeinrichtung ein einheitlicher pflegebedingter Eigenanteil für die Pflegegrade 2 bis 5. Der pflegebedingte Eigenanteil steigt künftig nicht mehr mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Zudem erhalten alle Pflegebedürftigen einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Die Finanzierung erfolgt durch die soziale Pflegeversicherung.

Die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen wird verbessert. Die Pflegeversicherung wird für deutlich mehr pflegende Angehörige Rentenbeiträge entrichten. Dabei kommt es darauf an, in welchem Umfang die Pflege durch Pflegepersonen erbracht wird und in welchen Pflegegrad der Pflegebedürftige eingestuft ist. Auch die soziale Sicherung der Pflegepersonen im Bereich der Arbeitslosen- und der Unfallversicherung wird verbessert.

Pflegegrade und Leistungen ab dem 1.1.2017

In Zukunft werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die Einstufung einbezogen. Mit der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich die Einstufung in einen Pflegegrad. Die sechs Bereiche sind:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Hauptleistungsbeträge in Euro
PG1 PG2 PG3 PG4 PG5
Geldleistung ambulant 316 545 728 901
Sachleistung ambulant 689 1298 1612 1995
Entlastungsbetrag ambulant (zweckgebunden) 125 125 125 125 125
Leistungsbetrag stationär 125 770 1262 1775 2005
bundesdurchschnittlicher pflegebedingter Eigenanteil 580 580 580 580

Viele erhalten mehr Leistungen, niemand wird schlechter gestellt

Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Niemand muss einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen. So wird für die Betroffenen unnötiger zusätzlicher Aufwand vermieden. Dabei gilt: Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr.

Konkret gilt die Formel: Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. (Beispiele: Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe III wird in Pflegegrad 4 übergeleitet). Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad. (Beispiel: Pflegestufe 0 wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz wird in Pflegegrad 4 übergeleitet

Robin Konrad-Merz:

Mein persönliches Fazit: Es ist eine spannende Entwicklung und es bleibt abzuwarten wie die Umsetzung sich auf die jeweiligen Bereiche und betroffenen Personen auswirkt. Nach meinem Kenntnisstand wird es immer noch eine relativ subjektive Beurteilung sein, die zwar nicht mehr in Minuten berechnet wird, dafür aber einen Punktekatalog als Grundlage hat, der widerum einer subjektiven Beurteilung ausgeliefert ist. Ich wünsche mir und vor allem allen betroffenen Pflegebedürftigen eine faire und objektive Beurteilung der jeweiligen Situation.

Auch sehr interessant zu wissen:

https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/03/PD15_094_224.html

Pressemitteilung Nr. 094 vom 12.03.2015: 71 % der Pflege­bedürf­tigen wer­den zu Hause ver­sorgt

WIESBADEN – Im Dezember 2013 waren in Deutschland 2,63 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Mehr als zwei Drittel (71 % oder 1,86 Millionen) aller Pflegebedürftigen wurden nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zu Hause versorgt. Von diesen erhielten 1,25 Millionen Pflegebedürftige ausschließlich Pflegegeld – das bedeutet, dass sie in der Regel allein durch Angehörige gepflegt wurden. Weitere 616 000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, bei ihnen erfolgte die Pflege jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. In Pflegeheimen vollstationär betreut wurden insgesamt 764 000 Pflegebedürftige (29 %).

Die Mehrheit (65 %) der Pflegebedürftigen war weiblich. Insgesamt 83 % der Pflegebedürftigen waren 65 Jahre und älter, mehr als ein Drittel (37 %) war über 85 Jahre alt. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz aufgrund von demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen wies ein Drittel (35 %) der Pflegebedürftigen auf.

Im Vergleich mit Dezember 2011 ist die Zahl der Pflegebedürftigen – im Zuge der Alterung der Bevölkerung – um 5,0 % beziehungsweise 125 000 gestiegen. Die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von ausschließlich Pflegegeld stieg dabei um 5,4 % (+ 64 000 Pflegebedürftige). Bei der Zahl der Pflegebedürftigen, die durch ambulante Pflegedienste betreut wurden, ergab sich eine Zunahme um 6,9 % (+ 40 000). Die Anzahl der in Heimen vollstationär versorgten Pflegebedürftigen war um 2,9 % (+ 21 000) höher.